Ich lese in letzter Zeit gerade hier im Fediverseration viel Aufregung und Empörung über Großprojekte (z.B. die Rodung des Hambacher Forsts für den Kohle-Abbau oder den Google Campus in Berlin), und finde diese Empörung prinzipiell nicht schlecht. Aber lautstarke Proteste alleine haben noch nie die Welt verändert -- leise Proteste in einem kleinen, relativ privaten Forum schon garnicht.
Im englischsprachigen Raum gibt es da ein Sprichwort: "Put your money where your mouth is!" Soll eigentlich meinen: wenn du etwas (lautstark) behauptest, würdest du auch darauf wetten? Oder auch: wenn du jemandem erzählst, wie gut du etwas findest, würdest du dann auch selbst ein finanzielles Risiko dafür eingehen?
Und genau das fehlt mir oft bei all der (berechtigten) Empörung... ein Post auf Diaspora ist billig. Aber damit verändern wir garnichts... was den Kapitalisten wirklich weh tut ist ihnen kein Geld mehr in den Rachen zu werfen.
Stört euch der Umgang von RWE mit der Umwelt? Dann habt ihr hoffentlich einen Stromanbieter, der 100% Öko-Strom anbietet...
Stört euch der Umgang von Google mit der Privatssphäre seiner User? Dann benutzt ihr hoffentlich kein Google, d.h. auch kein Youtube, Google Maps oder Google Translator, und schon gar kein unfreies Android -- Google macht Nutzerdaten zu Geld, also solltet ihr sie so wenig wie irgendmöglich mit Daten füttern. Gleiches gilt natürlich für Facebook, WhatsApp, usw.
Stört euch die miese Bezahlung von weiten Teilen der arbeitenden Bevölkerung? Dann bestellt ihr hoffentlich so gut wie nichts bei Amazon, denn die haben nicht nur selber grottenschlechte Arbeitsbedingungen, sondern fördern auch noch miesere Arbeitsbedingungen bei Paketzustellern. Aber so gesehen solltet ihr dann auch nicht bei Aldi, Norma & Co. einkaufen...
Die Liste liese sich beliebig fortsetzen. Der Ablauf von "Empörungswellen" in unserem modernen Kapitalismus ist aber fast immer das gleiche: Kunden wollen möglichst billige Waren, die Hersteller von Waren tun alles, um den Preis zu drücken (natürliche Ressourcen verbraten, Arbeitskräfte maximal ausbeuten, ...), irgendwann geht ein großer Hersteller in irgendeinem Punkt zu weit und plötzlich regen sich viele Leute über die Profitgier der Firmenbosse auf -- ohne dass irgendwem mal in den Sinn kommt, dass am anfang dieser Kette nicht der Firmenboss, sondern er selber als Kunde stehen könnte.
- Thomas