Sigmund Freud hat
drei Kränkungen der Menschheit identifiziert:
Kränkungen der Menschheit ist ein von Sigmund Freud im Jahr 1917 geprägter Begriff für umstürzende wissenschaftliche Entdeckungen, die, so Freuds These, das Selbstverständnis der Menschen in Form einer narzisstischen Kränkung in Frage gestellt haben.
1) Kopernikus hat gezeigt, dass die Erde -- und somit der Mensch -- nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Das kratzt natürlich schon am Ego...
2) Darwin hat dann noch gezeigt, dass sich der Mensch durch Evolution aus anderen Spezies entwickelt hat. Also ist auch die
Sonderstellung gegenüber der Tierwelt nicht so ganz haltbar.
3) Freud selbst hat schließlich gezeigt, dass der Mensch nicht rational ist, sondern überwiegend Triebgesteuert. Woah... a propos übergroßes Ego... mein lieber Herr Freud! Aber wegen mir darf sich der bescheidene Herr selbst in diese Reihe schreiben. Es passt ja schon ganz gut...
Menschheitsgeschichtlich sind das schon ziemlich dicke Brocken, die wir da schlucken mussten. Und diese Erkenntnisse haben sicherlich die Philosophiegeschichte beeinflusst und unsere Gesellschaft, wie sie heute ist erst ermöglicht.
Aber eine Besonderheit können wir uns noch einreden: ja klar, wir sind nicht der Mittelpunkt des Universums, und wir sind vielleicht aus anderen Tieren hervorgegangen und haben einige tierische Verhaltensweisen, aber immerhin ist der Mensch das einzige Wesen, dass so komplexe Sprachen und Sozialstrukturen entwickelt hat, dass es die ganze Welt beherrscht.
Nun... mach Dich auf die nächste Kränkung gefasst, liebe Menschheit.
Denn wir nähern uns der Schwelle, an der wir die Existenz von
Cyborgs akzeptieren müssen. Und das bedeutet, dass es schon sehr bald Mitglieder der menschlichen Gesellschaft gibt, die keine Menschen sind. Die wissenschaftliche Strömung, die diese Fragen stellt und ihnen nachgeht heißt
Posthumanization (nicht zu verwechseln mit
Transhumanisten -- das sind die gruseligen "geisteskranker Wissenschafter"-Verwandten der Posthumanisten). Posthumanisten fragen sich: wie verändert sich unsere menschliche Gesellschaft, wenn wir nicht nur mit anderen Menschen menschlich interagieren können und müssen?
Da fallen mir doch direkt ein paar aktuelle Fallbeispiele ein... Wie verändert sich der Umgangston zwischen Menschen, wenn unser Nachwuchs gewohnt ist, Geräten Sprachbefehle zu geben? Lässt sich (zwischenmenschliche) Ethik so einfach auf Cyborgs oder menschenähnliche Roboter übertragen? Falls ja, wo hört die Menschenähnlichkeit auf? Hat dann auch der Kühlschrank mit KI und Sprachsteuerung ein Recht auf körperliche Unversehrtheit?
Und wenn wir schon darüber diskutieren, dass nichtmenschliche Wesen Teil unserer Gesellschaft werden können: wie sieht es mit intelligenteren Tieren aus? Wenn die menschliche Ethik auf Cyborgs und Roboter ausgeweitet wird, mit welchem Recht werden Menschenaffen und andere intelligente Tiere ausgeklammert? Und wo ist dann die Grenze?
Diese Fragen werden in naher Zukunft keine philosophisch-akademischen Gedankenspiele sein, sondern auch dem kleinen Mann auf der Straße in die Augen springen. Können wir -- wir alle, als Spezies -- akzeptieren, dass wir Nichtmenschen wie Mitmenschen behandeln müssen? Zuerst einmal müssen wir wohl akzeptieren, dass wir Menschen nicht einmal die einzigen Wesen sind, die zu menschlicher Interaktion fähig sind... und wenn es soweit ist sollten wir einige Sprachkonstrukte kritisch hinterfragen...
Ich glaube, ich muss mal schauen, ob es zu dem Thema schon spannende Literatur gibt!
- Thomas